So unterstützt uns unsere Ernährung in den Wechseljahren

Die Wechseljahre verändern so einiges, auch beim Essen: Plötzlich vertragen wir Lebensmittel nicht mehr, die wir unser ganzes Leben lang problemlos zu uns genommen haben. Eine Tasse Espresso nach dem Abendessen, und die Nacht wird zum Tag. Ein Stück Kuchen am Nachmittag, und wir sehen das Ergebnis gleich am nächsten Morgen auf der Waage. Durch das Hormonchaos, das die Wechseljahre in unserem Körper anrichten, bekommen wir jetzt umgehend die Quittung für jede einzelne Ernährungssünde. Deshalb ist es gut zu wissen, wie sich welche Lebensmittel auf uns auswirken und wie wir unseren alten, Wechseljahre-geplagten Körper mit der richtigen Ernährung unterstützen können.

Wir sitzen zu dritt im Café und studieren die Speisekarte durch unsere Lesebrillen. Ich schaue kurz auf und sehe verschwommen, dass meine Freundinnen ihre Stirn genauso in Sorgenfalten gelegt haben wie ich. Anja bricht schließlich das Schweigen: „Ich hätte so Lust auf einen Cappuccino. Aber wenn ich jetzt noch einen Kaffee trinke, kann ich heute Nacht nicht schlafen.“ Zustimmendes Gemurmel von uns beiden anderen. Von Petra vernehmen wir einen tiefen Seufzer: „Ich überlege gerade, ob ich ein Stück Kuchen esse. Aber dann habe ich morgen wieder ein Kilo mehr auf der Waage.“ Wir überlegen kurz übermütig, anstatt Kaffee ein Glas Prosecco zu trinken, verwerfen diesen Gedanken aber schnell wieder. Schließlich wollen wir die gemeinsame Zeit im Café nicht damit verbringen, uns gegenseitig Luft zuzufächeln, um unsere Hitzewallungen wieder zu vertreiben.

 

Unser Hormonsystem ist wie das Transportsystem einer großen Stadt

Die Wechseljahre sind für uns Frauen eine wirkliche Herausforderung. Die Produktion von Östrogen und Progesteron nimmt plötzlich ab, und es ist für unseren Körper Schwerstarbeit, dies auszugleichen. Denn unser Hormonsystem ist ein komplexes Kommunikationssystem, in dem alle Beteiligten gut abgestimmt ihre Arbeit verrichten müssen. Wir können es uns wie das Transportsystem einer großen Stadt vorstellen: Autos, Taxis, Busse, U-Bahnen, Züge, E-Scooter, Fahrräder und Fußgänger haben alle ihre spezifischen Aufgaben und sind voneinander abhängig. Wenn nun plötzlich die U-Bahnen streiken, kann das ganze System ins Ungleichgewicht geraten. Nun müssen andere Verkehrsteilnehmer wie Autos oder Taxis einspringen, und es entstehen Staus und Chaos. Langfristig können andere Transportmittel wie beispielsweise Busse oder S-Bahnen die Arbeit der U-Bahnen übernehmen, aber bis alles wieder in Ordnung ist und alle Beteiligten wieder in Harmonie zusammenarbeiten, dauert es einfach seine Zeit.

Man kann sich leicht vorstellen, dass jeder weitere Störfaktor dazu beiträgt dieses komplexe System noch mehr ins Ungleichgewicht zu bringen. Ähnlich verhält es sich mit unserer Ernährung in den Wechseljahren. Auch wenn unser Körper seither in der Lage war, die eine oder andere Ernährungssünde auszugleichen, fällt ihm das jetzt (wenn die U-Bahnen bzw. die Hormone streiken) viel schwerer, und er zeigt es uns mit Hitzewallungen, innerer Unruhe, Schlafstörungen und anderen Wechseljahresbeschwerden. Wissenschaftler kennen heute ungefähr 100 Hormone. Sie vermuten jedoch, dass es weitaus mehr, nämlich circa 1000, dieser Botenstoffe gibt. Und so ist auch nicht vollständig geklärt, was die einzelnen Wechseljahressymptome genau verursacht, aber die meisten Beschwerden werden der Abnahme der Östrogene zugeordnet.

 

Östrogene haben viele Aufgaben

Um besser zu verstehen, was während der Wechseljahre in unserem Körper passiert, schauen wir uns am besten erst einmal an, für was Östrogene eigentlich verantwortlich sind:

  • Sie fördern die Wassereinlagerung in unsere Haut.
  • Sie erweitern die Blutgefäße und senken so den Blutdruck.
  • Sie wirken stimmungsaufhellend.
  • Sie wirken positiv auf unseren Blutzuckerspiegel.
  • Sie unterstützen den Knochenaufbau.
  • Sie tragen zu einer guten Darmfunktion bei.

Wenn die Östrogene nun streiken, können deshalb Beschwerden wie trockene Haut, Bluthochdruck, Stimmungsschwankungen, Probleme mit dem Blutzuckerspiegel, Osteoporose oder Verstopfung entstehen. Gleichzeitig sorgt das veränderte Östrogen-Testosteron-Verhältnis dafür, dass wir Fett am Bauch zulegen. Und das nicht zu knapp, denn durch die Menopause sinkt auch unser Grundumsatz. Eine Frau nach der Menopause verbraucht täglich sage und schreibe ungefähr 400 kcal weniger als ihr 20-Jähriges Ich!

Störfaktoren in der Ernährung vermeiden

Auch wenn unser Körper ein Wunderwerk ist und durchaus in der Lage ist, diese Hormonumstellung mehr oder minder reibungslos zu bewerkstelligen, kann er in den Wechseljahren keinerlei Störungen gebrauchen. Oder anders ausgedrückt: Wenn die U-Bahn-Fahrer streiken, sollte nicht gleichzeitig ein Helene-Fischer-Konzert stattfinden. Sonst bricht Chaos aus. Unsere Ernährung hat großen Einfluss auf unser Hormonsystem. Denn sämtliche Stoffwechselfunktionen werden ebenfalls durch Hormone gesteuert. Am bekanntesten ist wohl das Hormon Insulin, das dafür sorgt, dass Glucose zur Energiegewinnung in unseren Körper geschleust wird. Wenn wir uns in den Wechseljahren falsch ernähren, kann sich unser Körper nicht darauf konzentrieren, die anstehende Hormonumstellung ordentlich auf die Reihe zu bringen, sondern muss sich mit dem Helene-Fischer-Konzert, also beispielsweise dem Stück Kuchen am Nachmittag, auseinandersetzen und bricht infolgedessen in Schweiß aus.

Deshalb ist es in den Wechseljahren wichtig, dass wir uns so natürlich wie möglich ernähren. Unsere Ernährung sollte überwiegend aus Gemüse, Obst, vollwertigem Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen, frischen Kräutern sowie nativen Pflanzenölen bestehen. Diese Lebensmittel sind reich an Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen und sorgen dafür, dass unser Körper mit allen Bau- und Hilfsstoffen versorgt ist, die er braucht, um einwandfrei zu funktionieren. Außerdem trägt eine solche Ernährung dazu bei, dass unsere Verdauung in Schwung kommt und wir leichter unser Gewicht halten. Zucker, Weißmehl, gesättigte Fette, Salz, Kaffee, Alkohol und Zusatzstoffe (also alles, was das Catering beim Helene-Fischer-Konzert so bietet) sind Störfaktoren, die unsere Wechseljahresbeschwerden eher verstärken.

 

Diese Ernährung tut uns in den Wechseljahren besonders gut

Mit einer überwiegend vollwertigen und pflanzenbasierten Ernährung sorgen wir also dafür, dass unser Hormonsystem gut funktioniert und verhindern, dass wir durch das, was wir täglich zu uns nehmen, noch mehr Chaos bei unseren Hormonen verursachen. Aber Lebensmittel können noch mehr.  Die Natur ist einfach wunderbar und versorgt uns mit allem, was wir brauchen. Deshalb lässt sie auch in verschiedenen Pflanzen Stoffe wachsen, die uns in den Wechseljahren dabei unterstützen können, besser mit der Hormonumstellung klarzukommen. Es handelt sich dabei um die sogenannten Phytoöstrogene, die in unserem Körper ähnlich wie Östrogene wirken und so helfen können, unsere Wechseljahresbeschwerden zu lindern.

 

Zu den Phytoöstrogenen gehören unter anderem die Isoflavone und die Lignane. Isoflavone finden wir besonders reichlich in Soja. Asiatinnen leiden wesentlich seltener an Wechseljahresbeschwerden als wir Europäerinnen. Es wird vermutet, dass dies an ihrem hohen Sojakonsum liegt. Aber auch in anderen Hülsenfrüchten wie Kichererbsen oder Kidneybohnen sind Isoflavone in nennenswerten Mengen enthalten. Lignane finden wir in größeren Mengen vor allem in Leinsamen. Aber auch in Kürbis- und Sonnenblumenkernen, Sesam, Brokkoli oder Knoblauch sind Lignane enthalten. Eine Studie der University of Toronto stellte im Jahr 2005 fest, dass Lignane sogar in der Lage sind, das Wachstum von Brustkrebszellen zu reduzieren.

 

Auf die Verarbeitungsform kommt es an

Soja ist eine Hülsenfrucht, die in weiten Teilen Asiens als Grundlebensmittel gilt. Eigentlich handelt es sich um ein gesundes Lebensmittel. Dennoch steht Soja immer wieder im Verdacht, zur Entwicklung von Brustkrebs beizutragen. Eine Studie der Universität Illinois aus dem Jahre 2015 zeigte jedoch, dass es bei Soja auf die Art der Einnahme ankommt. Nur minimal verarbeitetes Sojamehl unterdrückte Brustkrebs, während aus Soja isolierte Isoflavone jene Gene stimulierten, die das Tumorwachstum beschleunigten. Die Wissenschaftler führen das darauf zurück, dass wenig verarbeitetes Soja das Immunsystem stärkt, was wiederum für die Bekämpfung von Krebszellen wichtig ist, während die isolierten Isoflavone das Immunsystem schwächen.

 

Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht nur wichtig ist, was wir essen, sondern auch wie stark ein Lebensmittel verarbeitet ist. Dies gilt auch für viele andere Nahrungsmittel. So sind beispielsweise Zuckerrüben nicht ungesund, sondern der handelsübliche Haushaltszucker, der in vielen Verarbeitungsschritten aus Zuckerrüben hergestellt wird. Deshalb sollten wir alle Lebensmittel möglichst natürlich, das heißt möglichst wenig verarbeitet, zu uns nehmen. So kann uns der frisch geschrotete Leinsamen (geht ganz einfach mit dem Stabmixer) auf dem Müsli zum Frühstück genauso bei unseren Wechseljahresbeschwerden unterstützen wie die frisch gekochten Sojabohnen in einem leckeren Curry zum Mittagessen. Sowohl Leinsamen als auch Sojabohnen sind außerdem reich an Ballaststoffen (gegen Verstopfung) und Kalzium (gegen Osteoporose) und sorgen dafür, dass wir lange satt bleiben (gegen Gewichtszunahme).

 

Wir drei im Kaffee haben uns übrigens für eine Teemischung aus Melisse und Lavendel entschieden. Beides wirkt beruhigend, und das können wir in den Wechseljahren gut gebrauchen. Als wir uns verabschiedeten, haben wir vereinbart, uns das nächste Mal abends zu treffen und dann – Wechseljahre hin oder her – mit einem Aperol Spritz in den Abend zu starten. Denn wenn man sich ausgewogen ernährt, kann man auch mal eine Ausnahme machen. Vorausgesetzt man kommt damit zurecht, dass man in der Nacht danach ein wenig mehr schwitzt als normal.

 

Quellen:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15897583/

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25820259/

Eva Ehehalt

Eva ist Ernährungsberaterin, Autorin und Bloggerin. Auf Ihrer Seite findet Ihr viele tolle Tipps und Rezepte:
www.leckervital.com

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