Wechseljahre – Nur echt mit grauen Haaren?

Man nimmt mich nicht mehr ernst als Ü-50-jährige. Ich habe nämlich die falsche Haarfarbe, und die ist nicht GRAU.

Die momentane Pandemie hat etwas verändert beim Thema „Haare ergrauen lassen“. Viele von uns sind jetzt die meiste Zeit zuhause. Und zuhause, da ist höchstens noch die eigene Familie, aber keine Arbeitskollegen, die das eigene Aussehen kritisch beurteilen. Der soziale Druck entfällt, immer so jung und adrett wie möglich auszusehen. Kostüm und Hosenanzug werden nahtlos ersetzt durch bequeme Freizeitkleidung und die berühmte Jogginghose. Und da auch regelmäßige Friseurbesuche keine Selbstverständlichkeit mehr sind, lassen immer mehr Frauen ihr Haar ungehemmt sprießen. „Färben lohnt sich momentan doch nicht“, sagte mir eine Freundin. „Ich pendle doch nur zwischen Homeoffice und Supermarkt, für wen soll ich mich denn da hübsch machen?“

Für wen? Na, für sich selbst!

Hinten Lyzeum, vorne Museum

Verstehen wir uns nicht falsch – ich gehöre auch zu den Frauen, die seit einem Jahr nicht mehr beim Friseur waren. Mein Haarschnitt ist rausgewachsen, und das letzte Mal hatte ich so langes Haar als ich siebzehn war. „Hinten Lyzeum, vorne Museum“ hätte meine Oma das genannt. Wikipedia nennt es „bei flüchtigem Hinsehen (zum Beispiel von hinten) jugendlich, hübsch aussehend, aber bei näherer Betrachtung bereits vom Alter gezeichnet seiend.“

So bin ich momentan also von vorne vom Alter gezeichnet und von hinten jugendlich, mir fehlt nur noch die passende graue Haarfarbe. Mit langem grauen Haar wäre ich sogar cool und hip. Aber noch weigere ich mich standhaft, mein geliebtes Haselnussbraun zugunsten der Trendhaarfarbe 2021 „Salt and Pepper“ aufzugeben. Also färbe ich weiter alle vier Wochen den grauer werdenden Haaransatz nach, auch wenn es Arbeit macht. Ganz einfach, weil ich mir so besser gefalle!

Ich denke, meine Abneigung gegen graue Haare wurzelt in meiner Kindheit. Ich hatte nämlich früher im Gymnasium (wir erinnern uns: Lyzeum!) eine Religionslehrerin, deren nachwachsender grauer Haaransatz im Kontrast zum Resthaar für mich aussah wie Schimmel. Das fand ich damals nicht schön, und heute immer noch nicht. Also färbe ich meine wenigen grauen Strähnen weiter haselnussbraun – und bin damit trendmäßig völlig out.

Triumphzug der Pro-Age Silver Sisters

Voll im Trend liegt derzeit die sogenannte Silver Sisters Community, deren 50plus Mitglieder alle graues Haar haben. Und wer graues Haar trägt, der ist automatisch inoffizielles Mitglied der Pro-Age-Bewegung – ob man nun will oder nicht.

Wer spätestens jetzt nicht ergraut, dem haftet der Makel an, nicht in Würde zu altern. Und während die Silver Sisters endlich beglückt mit den Vorurteilen aufräumen, mit denen graues Haar bisher behaftet war, so schaffen sie gleichzeitig neue Vorurteile gegenüber Frauen, die eben nicht beseelt ergrauen möchten. Grau = cool und mutig, gefärbt = uncool und kann nicht in Würde altern.

Dabei bin ich auch mit haselnussfarbigem Haupthaar absolut Pro-Aging. Ach was: Ich bin für Happy Aging! Und das bedeutet für mich nichts anderes, als dass jeder glücklich und stilvoll altern kann, egal mit welcher Haarfarbe! Ich kenne griesgrämige Grauhaarige, genauso wie lebenslustige Gefärbte. Und seien wir mal ganz ehrlich: Wer auf Grau umsteigt, der erspart sich zwar das lästige Färben, muss dafür aber bei Schminke und Kleidung etwas tiefer in den Farbtopf greifen, um nicht wie „Braunbier mit Spucke“ auszusehen. Jetzt runzeln Sie mal nicht die Stirn, der Spruch stammt nämlich auch von meiner Oma und bedeutet soviel wie „blass und unscheinbar aussehen“.

Jede wie sie mag

Letztendlich bin ich dafür, dass jede Frau ihr Haar so tragen soll, wie sie es mag. Ich kenne wunderschöne Grauhaarige, flippige Alte mit pinkem Haar und ganz tolle Frauen, die ihre Haare weiter in ihrer Naturhaarfarbe färben. Keine davon ist besser oder schlechter als die andere, und bei keiner sagt die Haarfarbe automatisch etwas über die Einstellung zum Altern aus. Jede Frau ist einzigartig, und letztendlich entscheidet die Ausstrahlung über die Anziehungskraft eines Menschen, und nicht seine Haarfarbe.

Ich färbe jetzt erstmal so lange weiter, bis ich keine Lust mehr habe. Und dann kann es sein, dass ich von heute auf Morgen mein langes Haar zum Pixie kürzen lasse, nur um möglichst schnell auf Grau umzusteigen – ach was: auf Weiß! Denn meine Oma hatte strahlend weißes Haar, und das war wunderschön!

Wie tragt ihr euer Haar: Grau oder gefärbt? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

Valérie

Valerie Müller ist Ü-40 Bloggerin, PR-Beraterin, begeisterte späte Mutter und die Herausgeberin und Autorin von Life40up!
life40up.de

5 Kommentare zu: »Wechseljahre – Nur echt mit grauen Haaren?«

  1. Hallo! Bin bin Natur aus blond, mittlerweile „Straßenköterblond“und ich färbe meine Haare blond. Grau würde mir bei mir nicht gefallen, passt auch nicht zum Typ oder zur Gesichtsfarbe, aber jeder wie er will!

  2. Liebe Valérie,
    ich überlege auch schon länger, ob ich aufhören sollte mir die Haare zu färben.
    Einerseits ist es lästig sich fast alle 3 Wochen die Haare nachfärben zu müssen,
    andererseits passen graue Haare nicht zu meinem inneren Ich.
    Aber letztendlich sollte man für sich selbst entscheiden ob man in Würde
    ergrauen möchte oder lieber seine „normale“ Haarfarben noch ein paar Jährchen
    behalten möchte!
    Liebe Grüße
    Yvonne

  3. Also zunächst einmal, jeder wie er mag. Was jedoch das grau werden anbetrifft, hat es nicht unbedingt damit zu tun, daß man nicht mehr vor die Tür kommt. Ich bin die ganze Zeit normal arbeiten gewesen und auch der Friseur betritt unser Haus regelmäßig. Es hat damit zu tun, das es immer anstrengender wurde, denn alle 4 Wochen hat schon lange nicht mehr gereicht. Zudem auch damit das sich bei mir mit 46 Jahren etwas ändern. Die silversisters community gibt mir Halt und ich möchte darauf hinweisen, daß sich dort keineswegs nur top gestylte Frauen 50 plus zeigen, sondern auch erheblich jüngere Frauen

  4. Hallo ich bin 52 Jahre alt, ich stehte zu meine grauen Haaren, bin nicht komplett grau sieht aus wie Strähnen, und ich muss sagen es gefällt mir sehr gut, färben tut ich seit drei Jahren nicht mehr, ich finde es muss jeder für sich selbst entscheiden wie er rumlaufen möchte.
    LG Monika

  5. So treffend geschrieben, danke. Mittlerweile gehen mir die Birgit Schrowanges dieser Welt echt auf den Geist, die indirekt diesen erhobenen Zeigefinger haben. Ich bin genauso in meiner Mitte angekommen, wenn ich meine Haare weiterhin färbe. Eine meiner Freundinnen trägt ihr Haar jetzt silbergrau und sie sieht glatte 10 Jahre älter aus, schade, da es ihr in meinen Augen nicht steht, älter wird sie schon von allein, warum es künstlich oder in diesem Fall natürlich forcieren? Wenn ich in den Spiegel schaue gefalle ich mir mit meiner Haarfarbe und nur darum geht es doch.

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