Hier sieht man die wichtigsten Social Media Zeichen

Wir müssen reden – noch nie waren wir auf unser soziales Netzwerk so sehr angewiesen wie jetzt

Kolumne: Ich will mein Leben zurück! Oder Vielleicht DOCH LIEBER EIN ANDERES?

Ein typischer Vormittag irgendwo in Deutschland. Ich sitze am Schreibtisch und arbeite. Ungefähr alle 10 Minuten verkündet mein Smartphone mit unterschiedlichen Signaltönen den Eingang einer mehr oder weniger wichtigen Nachricht. Social-Media & Co. machen es möglich, dass wir mit der ganzen Welt verbunden sind und kommunizieren. Daran führt heute kein Weg mehr vorbei. Aber gerade wir Um-die-50-Jährigen brauchen mehr als alle anderen echte Kontakte mit echten Menschen, die uns in Liebe zugeneigt sind und uns in unserem Alltag unterstützen: Wir müssen reden!

Es ist ein typischer Vormittag für mich. Ich arbeite an einem neuen Blog-Artikel und versuche, mich nicht von den Nachrichten, die stetig über die verschiedenen digitalen Kanäle hereinkommen, ablenken zu lassen. An den unterschiedlichen Signaltönen erkenne ich gleich, ob es WhatsApp (eher privat), Instagram (eher geschäftlich) oder – fast schon altmodisch – eine Mail ist (privat und geschäftlich, meistens Werbung). Plötzlich ändert sich die Frequenz der Nachrichtenmusik und ein lang anhaltendes Bing-Bing-Bing-Bing-Bing-Bing-Bing-Bing-Bing-Bing schafft es dann doch, dass ich mich trotz aller guten Vorsätze ablenken lasse.

Digitale Prokrastination

Gleich darauf ärgere ich mich über meine Inkonsequenz, denn es waren nur die gefühlt zehn schlechtesten Fotos des gestrigen Fußballspiels meines Sohnes, die nun über die WhatsApp-Gruppe mit allen geteilt werden. Danke dafür! Aber wenn ich schon einmal dabei bin, kann ich ja auch gleich die anderen Nachrichten anschauen. Ungefähr 30 Minuten später tauche ich wieder aus der digitalen Welt auf, die mich wie ein unsichtbarer Strudel eingesaugt hat und nun wieder ausspuckt. Und genauso fühle ich mich jetzt auch, denn die letzte halbe Stunde war schlicht und ergreifend nutzlos.

Es ist schon erstaunlich, wie uns diese kleine Geräte namens Smartphone steuern. Wie eine Fernsteuerung schaffen sie es, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: Kurz die WhatsApp-Nachrichten gecheckt, dann bei Instagram vorbeigeschaut (dort fällt mir ein, dass ich ja noch nach einem Rezept für vegane Spaghetti Carbonara suchen wollte), irgendwann gemerkt, dass ich mich ablenken lasse, aber dann noch schnell geschaut, wie das Wetter wird (was ich gleich wieder vergessen habe) und dann noch einmal die Wetter-App geöffnet. Und schon hat das Smartphone wie ein schwarzes Loch eine halbe Stunde (!!!) meiner Lebenszeit geraubt. Und in meinem Alter ist Lebenszeit etwas sehr kostbares.

Es bedarf schon einer gehörigen Portion Disziplin, sich nicht in diesen Sog der bunten Bilder hineinziehen zu lassen. Aber trotz aller Nachteile möchte ich mein Smartphone nicht missen. Wie viele nette und interessante Kontakte habe ich schon über Instagram gefunden. Und dieser Austausch – bei mir hauptsächlich zu Food-Themen – ist für mich eine echte Bereicherung. Und es ist doch eigentlich schön, dass man mit seinen Freunden und Bekannten über WhatsApp im ständigen Austausch steht.

Digitales Lernen für unsere Kinder

Und ein bisschen bin ich ja auch stolz darauf, dass ich in meinem Alter über diese Kanäle kommuniziere und mich durch meine Arbeit auch recht gut mit den Social Media auskenne. Das kann sicherlich nicht jeder in meiner Generation von sich behaupten. Bei vielen reicht das Digital Know-how gerade mal aus, um ein Foto per WhatsApp zu verschicken…

Die meisten von uns lernen die neue digitale Welt von oder wegen ihren Kindern. Als wir noch fleißig SMS geschickt haben (Was haben wir uns einen Wolf getippt!), hatten unsere Sprösslinge bereits WhatsApp für sich entdeckt. Und so ist meine Generation, einer nach dem anderen, zu WhatsApp gewechselt. Aktuell findet eine große Wanderbewegung von Facebook zu Instagram statt. Schließlich möchte man dem Nachwuchs ja nahe sein und ihm folgen (bei manchen muss man schon eher von VERfolgen sprechen).

Und es ist ja schon toll, was wir Um-die-50-Jährigen noch alles lernen können, sofern wir das denn wollen. Dennoch gibt es viele Tage, an denen ich die neue digitale Welt und ihre Errungenschaften verfluche: Wenn eine Freundin es nicht schafft, mich an meinem Geburtstag anzurufen, sondern nur eine Sprachnachricht schickt. Wenn für eine Verabredung auf ein Glas Wein zu dritt eine WhatsApp-Gruppe und ungefähr 85 mehr oder weniger sinnvolle Nachrichten notwendig sind. Wenn man eine Nachricht schickt und einfach keine Antwort kommt. Wenn die Kommunikation nur noch über Kurznachrichten stattfindet und mit jeder Nachricht der Berg an Missverständnissen wächst.

Echte Kontakte

Aber zurück zu dem ganz normalen Vormittag in Deutschland. Gerade hat mich also die digitale Welt wieder in die echte Welt ausgespuckt, und ich fühle mich mies. Da klingelt das Telefon (ganz in echt!). Meine Freundin Irina ruft an. Nur um mir zu sagen, dass ihre Tochter leider immer noch Fieber hat und sie deshalb mit mir morgen nicht joggen gehen kann, und dass sie nun am Sonntag in den Urlaub fahren, vielleicht aber auch nicht, und dass wir vielleicht ja am Sonntag zusammen grillen könnten, wenn sie doch erst am Mittwoch fahren. Ich erzähle ihr noch, dass ich heute schwer an Prokrastrination (= Aufschieben von anstehenden Aufgaben)leide (ein Insiderwitz, der uns immer wieder zum Lachen bringt) und schon eine halbe Stunde mit Auf-dem-Handy-Daddeln verschwendet habe, und dass ich einen neuen Auftrag habe und gerade einen neuen Blog-Artikel schreibe.

Nach 30 Minuten ist unser Telefonat beendet. Wieder eine halbe Stunde, in der ich nicht an meinem Blog-Artikel gearbeitet habe. Immer noch schaut mich der leere Bildschirm vorwurfsvoll an. Aber ich klappe lächelnd den Bildschirm zu, gehe in die Küche und mache mir erst einmal einen Kaffee. Anschließend setze ich mich wieder an meinem Schreibtisch und beginne endlich zu schreiben. Meine Finger fliegen über die Tastatur, denn das Gespräch mit einem lieben Menschen hat mir meine Energie zurück gegeben und dafür gesorgt, dass meine Gedanken wieder frei fließen können.

Unterstützung für die Veränderungen

Gerade wir Um-die-50-Jährigen brauchen echte Kontakte. Wir brauchen den Austausch mit Menschen, denen wir wichtig sind, die uns unterstützen, an unserem Leben teilnehmen und uns an ihrem Leben teilhaben lassen. Wir brauchen Freundinnen, die wirklich mit uns reden, die auch die Zwischentöne hören und die uns liebevoll die Wahrheit sagen. Und die uns auch mal in den Arm nehmen, wenn es uns schlecht geht. Was wir nicht brauchen, sind noch mehr Textnachrichten und noch mehr Likes auf Instagram. Davon haben wir bereits genug.

In den Wechseljahren zu sein, bedeutet für uns meistens, dass sich in unserem Leben viel verändert. Die einen müssen damit klar kommen, dass die Kinder flügge werden, die anderen trennen sich von ihrem langjährigen Partner, wieder andere sind plötzlich mit der Pflege oder gar dem Verlust eines Elternteils konfrontiert oder starten beruflich noch einmal ganz neu durch. Und ich kenne viele Frauen, bei denen mehrere dieser Ereignisse gleichzeitig aufgetreten sind.

Diese Veränderungen sind für uns eine große Chance. Sie bieten uns die Gelegenheit, noch einmal durchzustarten. Unliebsames loszuwerden und Neues, das wir vielleicht schon immer mal machen wollten, zu beginnen. Aber diese Veränderungen kosten uns auch viel Kraft, und sie sind nicht immer einfach zu verarbeiten. Und deshalb brauchen wir auf unserem Weg in ein neues Leben Unterstützung. Wir brauchen andere Frauen, die uns verstehen, die vielleicht gerade Ähnliches erleben. Frauen, die uns zuhören (auch wenn wir unser Gejammer manchmal selbst nicht mehr hören können), die uns ermutigen (auch wenn es bereits das zehnte, elfte oder zwölfte Mal ist), ihre Ängste und Sorgen mit uns teilen und einfach für uns da sind, wenn wir sie brauchen.

Eine Text-Nachricht kann helfen, die Zeit zu überbrücken, in der wir einen lieben Menschen nicht sehen. Sie kann uns manchmal ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn unsere Stimmung gerade eher trüb ist. Und sie kann uns auch ganz pragmatisch helfen, schnell mal einen Termin abzustimmen.

Liebevolle Begegnungen machen uns stark

Aber sie wird nie den persönlichen Kontakt und das persönliche Gespräch ersetzen. Wir sollten uns dessen bewusst sein und uns mit Menschen umgeben, die uns guttun. Und wir sollten den Kontakt zu diesen Menschen sehr bewusst so gestalten, dass ein wirklicher Austausch stattfinden kann. In der persönlichen Begegnung können wir – wie auf einer Insel – eine Zeitlang verweilen. Die Gespräche, die Gesten, das Lachen nehmen wir mit und können so gestärkt wieder in den Alltag zurückkehren. Echte Begegnungen hinterlassen Spuren und helfen uns, Veränderungen und Schwierigkeiten zu meistern. Sie machen uns stark und zuversichtlich und einfach glücklich.

Die erste Seite meines Artikels ist bereits geschrieben, als mir einfällt, dass ich mich für den nächsten Tag mit meiner Freundin Karo verabredet habe. Wir wollen zusammen mit den Kindern einen Ausflug machen, haben aber noch nicht verabredet, wann wir losfahren. Ich unterbreche meine Arbeit erneut und fange an, eine Textnachricht zu tippen. Hi, Karo, wann wollen wir morgen eigentlich los? Aber dann breche ich die Nachricht ab, obwohl ich schon fast alles geschrieben habe, was ich sagen wollte. Ich schließe WhatsApp und rufe die Nummer meiner Freundin auf: „Hallo Karo, alles klar?“

Als ich auflege, ist wieder eine Viertelstunde vorbei. Aber ich weiß jetzt nicht nur, wann wir uns treffen, sondern auch, wie es meiner Freundin geht, was sie die letzten Tage so gemacht hat und dass sie sich – wie ich auch – sehr auf unseren Ausflug freut. Und so ist diese Zeit keine verlorene Zeit, sondern eine sehr wertvolle. Mit einem Lächeln mache ich mich wieder an die Arbeit. Allerdings stelle ich meine Handy zuvor noch auf lautlos.

Eva Ehehalt

Eva ist Ernährungsberaterin, Autorin und Bloggerin. Auf Ihrer Seite findet Ihr viele tolle Tipps und Rezepte:
www.leckervital.com

3 Kommentare zu: »Wir müssen reden – noch nie waren wir auf unser soziales Netzwerk so sehr angewiesen wie jetzt«

  1. Liebe Daniela,

    vielen Dank für deine liebe Rückmeldung. Es freut mich sehr , dass dir der Artikel gefällt!

    Alles Gute für dich!

    Viele Grüße

    Eva

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