Kollegiales Coaching: Cocktailrunde mit Mehrwert / Teil 2

Braucht jeder seinen eigenen Job-Coach – oder kann man sich auch in einer Gruppe von Gleichgesinnten gegenseitig gute Anregungen geben? Wechselweib Heike hat es ausprobiert, mit großem Gewinn. Im zweiten Teil ihres Beitrages erklärt sie, auf welche Eckpunkte man beim Nachmachen achten sollte.

Die Gruppe: Wir sind acht – das ist eine hervorragende Zahl. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: Nicht weniger als fünf, nicht mehr als zehn Mitglieder. Werden es zu wenige, bekommt die kollektive Phantasie nicht genügend Futter, werden es zu viele, bekommt der Einzelne nicht genügend Raum. Es ist von Vorteil, wenn die Mitglieder alle aus der gleichen Branche kommen, einfach, weil ihnen Arbeitsabläufe, Hierarchien, typische Situationen vertraut sind – Branchenfremde haben zwar manchmal einen frischen Blick und originelle Ideen, die sind aber im Praxistest selten wirklich brauchbar. Ganz wichtig: Die Gruppe nicht jedes Mal neu zusammensetzen, wenn man wirkliche Kontinuität haben möchte. Es ist sinnvoll, wenn sich alle Beteiligten nach einer Weile gut genug kennen, so dass man sich lange Erklärungen und Vorreden sparen kann. Ein weiteres Thema, das man vorab klären sollte: reine Frauengruppe oder gemischt? Ich finde den Austausch unter Frauen angenehm, einfach, weil viele von uns ähnliche Prioritäten setzen (etwa: den Ausgleich zwischen Familie und Job), weil keine von uns Scheu hat, auch private Themen mit einzubringen, und weil wir nicht in einen Konkurrenz-Modus geraten. Der Austausch in einer gemischten Gruppe hätte vermutlich eine etwas andere Chemie, mit Vor- und Nachteilen. Und, a propos Konkurrenz: Die Mitglieder der Gruppe sollten ungefähr auf Augenhöhe sein. Ähnliche Positionen, Qualifikationen, gegenseitige Wertschätzung. Es sorgt für mieses Karma, wenn eine sich permanent als Schlusslicht fühlt und die andere heimlich den Verdacht hat, die anderen hätten es nur auf ihre tollen Connections abgesehen. Das Gegen und Nehmen muss gleich verteilt sein.

Die Moderation: Klar, nicht jeder kennt eine ausgebildete Trainerin, die ihr psychologisches Knowhow einbringt. Da hatten wir einfach Glück. Muss aber auch nicht sein: Wichtig ist vor allem, dass eine Person in der Gruppe auf Redezeiten achtet, sich eine Struktur überlegt, und ein bisschen genauer zuhört: Bei welchem Thema geraten Teilnehmer in Begeisterung, wo wird ihre Sprache lebendig, wo wird’s emotional? Man kann den Staffelstab auch jedes Mal weitergeben, so dass jeweils eine andere sich für das Gelingen des Tages besonders verantwortlich fühlt.

Der Ort: Ich habe mal einen ganz wunderbaren, branchenübergreifenden Frauen-Coachingtag mit einer hervorragenden Kommunikationstrainerin erlebt, der in einem Spa stattfand. Da saßen wir uns dann nackt in der Sauna und im Außen-Whirpool gegenüber und besprachen Geschäftsideen und Jahresziele. Kann man durchaus machen, vor allem aus Networking-Gründen. Allerdings kann es dann auch passieren, dass andere Saunagäste sich über die Schnatter-Truppe beschweren, nicht ganz zu Unrecht. Ich selbst finde eine neutrale Büro-Umgebung allerdings besser. Klar darf der Spaß-Teil nicht zu kurz kommen: Nach Abschluss ziehen wir abends immer noch in die nächste Bar um (auch das könnte man zur Abwechslung mal in die Sauna verlegen!)

Die Häufigkeit: Mit zwei Mal jährlich fahren wir gut. Noch häufiger ergibt wenig Sinn, in der Regel ändern sich berufliche Situationen und Fragestellungen ja nicht im Monatstakt – noch seltener wäre zu wenig. Ein Treffen in höherer Frequenz kann für manche Berufsgruppen aber sicher auch Sinn ergeben, z.B. wenn alle gemeinsam eine neue Aus- oder Weiterbildung machen, bei der viele Weichen neu gestellt werden.

Die Tagesordnung und das Thema: Ganz wichtiger Punkt. Beim allerersten Treffen geht es sicherlich erstmal um ein gegenseitiges Kennenlernen und eine Bestandsaufnahme: Wer bin ich, welchen beruflichen Weg habe ich hinter mir, wo will ich hin, was ist meine aktuelle Fragestellung? Aber bei den weiteren Terminen ist es sinnvoll, sich einen Schwerpunkt zu setzen. Wir als freiberufliche Einzelkämpferinnen hatten zum Beispiel ein tolles Treffen, bei dem es ausschließlich um Selbstmarketing ging, für eine andere Gruppe mit Festangestellten könnte es z.B. um Strategien in Gehaltsgesprächen oder Kommunikation im Arbeitsteam gehen. Auch eine Tagesordnung sollte man sich unbedingt setzen: Kurze Begrüßungsrunde vorab, dann die Fokussierung auf den Schwerpunkt. Mir persönlich hilft es sehr, wenn unsere Moderatorin Anne uns etwas zeichnen lässt, beim letzten Mal z.B. zwei Stimmungskurven über den Verlauf der letzten Jahre: Wann ging es mir privat gut, wann nicht, und wie war das beruflich? Gibt es ein erkennbares Muster dabei? Welche Erfolge haben mich gekickt, welche Situationen bedrückt? Es strukturiert die eigenen Gedanken, wenn man anschließend reihum so ein Chart vorzeigt, erklärt und sich Feedback geben lässt. Ganz wichtig: Pausen einplanen, darauf achten, dass jeder ähnlich viel Rede- und Diskussionszeit bekommt, und die Reihenfolge von Treffen zu Treffen ändern. Erfahrungsgemäß ist die Runde einfach bei den ersten Teilnehmern frischer, bei den letzten schon etwas ermattet.

Vertraulichkeit: Versteht sich fast von selbst, ist aber trotzdem wichtig, sich vorher zuzusichern: Nichts, was in dieser Runde besprochen wird, verlässt den Raum – vor allem natürlich, wenn es um Dritte geht, also unangenehme Chefs, intrigante Kollegen, Jobwechsel-Gedankenspiele, die der Vorgesetzte nicht erfahren sollte, natürlich auch Zahlen aller Art (Umsätze, Verkäufe, Gehalt, Honorare…)

Zielsetzung: Je klarer die Zielsetzung des einzelnen, desto besser lässt sie sich in der Gruppe überprüfen. Was will ich erreichen, bis wann und wie – diese Fragen sind schon mal eine gute Maßgabe, und die Gruppe kann helfen, sich selbst darüber klar zu werden. Aber man muss auch nicht aus jedem Coachingtag geistige Bundesjugendspiele machen, nach dem Motto: Wie schaffe ich’s höher, schneller, weiter? Wir haben zum Beispiel eine Frau in der Gruppe, die eigentlich völlig zufrieden ist mit ihrer Work-Life-Family-Balance und ihren Aufträgen, was immer sehr gute Stimmung in der Gesprächsrunde macht – die fragt sich einfach nur, wie sie den guten Status Quo erhalten kann. Auch dazu kann man Ideen sammeln. Im Idealfall geht jeder hinterher nicht nur mit einer Klärung raus (wären wir Gärtnerinnen, hätten wir dann entschieden: eine von uns sät nur noch Orchideen und die andere konzentriert sich auf Kakteen), sondern auch mit einer Aufgabenstellung für das nächste Treffen: Buch schreiben, Zahl der Facebookfans fürs Blog auf 2000 bringen, endlich mit einem Themenvorschlag bei der Traum-Redaktion landen….

Ihre Heike

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