Wenn die Wechseljahre so richtig zuschlagen, wünschen wir Frauen uns einfach nur, dass Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Haarausfall, Gewichtszunahmen usw. schnell wieder verschwinden und wir unser altes Leben und Ich zurückbekommen. Ein nachvollziehbarer Wunsch, der aber leider unerfüllt bleibt, denn schließlich fährt unser Hormonhaushalt Achterbahn und die vielfältigen Auswirkungen machen sich täglich – mal mehr, mal weniger – bemerkbar. Damit umzugehen, ist nicht immer leicht und allzu häufig möchten wir nur noch flüchten, weil die Kraft einfach nicht mehr zu reichen scheint, um den vielen alltäglichen Pflichten, dem sozialen Miteinander oder den Jobanforderungen gerecht zu werden.
Dieses Gefühl der Überforderung – und das weiß ich aus eigener Erfahrung – ist neben der körperlichen Auswirkungen der Wechseljahre besonders belastend. Früher immer alles quasi „mit links“ bewältigt, sorgte dieses Gefühl des Kontrollverlustes bei mir für enormen Stress und schickte mein Selbstwertgefühl in den Keller. Ich traute mir nichts mehr zu, fühlte mich nutzlos und schwach, haderte mit mir und meinem Aussehen, fühlte mich alt und unattraktiv (was auch meine Beziehung belastete) und hätte am liebsten auf jegliche Außenkontakte verzichtet. Vorher eher extrovertiert und frei nach dem Motto „die Welt kann nicht groß genug sein“ lebend, zog ich mich immer mehr zurück.
Gleichzeitig verschlang ich alles an Tipps zur Bewältigung der Wechseljahre, um mich wieder besser zu fühlen und im Alltag wie gewohnt funktionieren zu können. Aber egal, was ich auch versuchte, – von Ernährung über Bewegung bis hin zu Entspannungsübungen – nichts half mir dabei, wieder zu mir zurückzukehren.
Wechseljahre – Retreat (Rückzug) statt Ratlosigkeit
Immer war ich in meinem Alltag so konditioniert, zuerst die Bedürfnisse der anderen zu sehen. Ob mein Partner, die Kinder, die Eltern, der Freundeskreis, die Kollegen – ständig drehten sich meine Gedanken hauptsächlich darum, dass es ihnen allen gut geht. Meine eigenen Bedürfnisse blieben auf der Strecke und im Verlauf meiner stärker werdenden Wechseljahres-Beschwerden wurde ich nicht nur immer dünnhäutiger sowie ungeduldiger, sondern meine innere Stimme schien immer lauter zu fragen: Wann bin ich denn mal dran?
Wie es zu der Zeit in mir aussah, ließ ich niemanden wissen, sondern versuchte, mir meine veränderte innere Haltung zu mir und meinem Umfeld nicht anmerken zu lassen. Ich kam schnell an meine Grenzen, denn meine innere Anspannung wuchs von Tag zu Tag und gleichzeitig überkam mich eine völlige Ratlosigkeit. Wie sollte das weitergehen? Den nötigen Impuls lieferte mir ein interessanter Bericht zum Trend-Thema „Wechseljahres-Retreat“ (Wechseljahres-Rückzug).
Warum eine Auszeit in den Wechseljahren sinnvoll ist
Nachdem ich diesen Artikel gelesen hatte und ein wenig über weitere Formen einer „Auszeit“ recherchierte, wurde mir schlagartig klar: Ich brauche jetzt Zeit für mich, denn es gilt nicht nur, die körperlichen Veränderungen zu verkraften, die die Wechseljahre mit sich bringen, sondern auch diese Zeit des Umbruchs (die Kinder sind erwachsen und ziehen aus, ich habe nach Feierabend wieder Freizeit, wir müssen uns als Paar neu finden usw.) als Chance für Veränderungen zu begreifen. Dass es mir im Hamsterrad des Alltags nicht gelingen würde, Ideen zu entwickeln, diese als Chance zu erkennen oder gar zu nutzen, stand außer Frage.
Ganz klar: Es bedarf einer Auszeit, um sich neu sortieren oder neue Perspektiven entdecken zu können und ein entsprechender „Retreat“ – in welcher Form auch immer – kann in vielerlei Hinsicht positiven Einfluss auf die Zeit während der Wechseljahre nehmen:
- Er ermöglicht es, Stress abzubauen und zur Ruhe zu kommen.
- Er bietet Zeit zur Selbstreflexion, um die eigenen Lebensziele zu überdenken und neue Perspektiven
zu entwickeln. - Er reduziert den Alltagsstress und bietet gleichzeitig Raum zur Entspannung, was zur Linderung von
Symptomen wie Hitzewallungen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen beiträgt. - Er kann den Prozess unterstützen, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln und achtsamer mit sich
selbst umzugehen.
Welche Möglichkeiten eines Wechseljahres-Retreats sind denkbar?
Viele Frauen, die unterschiedliche Ansätze möglicher Retreats ausprobiert haben, teilen ihre Erfahrungen und berichten immer wieder davon, wie hilfreich diese bewusste Auszeit für die
Bewältigung der individuellen Herausforderungen der Wechseljahre ist.
Je nach den persönlichen Lebensumständen bzw. der beruflichen Situation lässt sich ein Rückzug aus dem Alltag – um Kraft zu sammeln, um sich zu Besinnen oder neue Lebensziele zu setzen – in unterschiedlichen Formen sowohl spontan, als auch gut vorbereitet und als kürzere oder längere Auszeit in den Wechseljahren gestalten. Nachfolgende Anregungen reichen von leicht zu realisierenden und kostengünstigen Möglichkeiten, bis hin zu Ideen, die nicht nur einer längerfristigen Planung bedürfen, sondern auch ein höheres Budget erfordern.
Eine Wanderung in der Natur – ganz allein oder mit Gleichgesinnten
Klingt vielleicht auf den ersten Blick unspektakulär, aber wer schon einmal allein z.B. übers Wochenende durch eine einsame Berglandschaft gewandert und ganz reduziert auf einer Wanderhütte übernachtet hat, kennt die beruhigende und gleichzeitig visionäre Wirkung, die Natur, Panorama, Stille und Einsamkeit haben können. Ein Effekt, von dem nahezu jeder der z.B. den Jakobsweg gegangen ist, zu berichten weiß. Der muss es natürlich nicht gleich sein, obwohl er für geübte Wandernde durchaus eine großartige Option ist, Abstand zum Alltag und Nähe zu sich selbst zu bekommen.
Bedächtig und kontinuierlich einen Fuß vor den anderen zu setzen hat etwas Meditatives:
Der Kopf wird frei, die Gedanken fließen und klären sich durch die gleichmäßige Bewegung, ohne dass man viel dafür tun muss. Und da es eine Vielzahl von unterschiedlich schwierigen Wandertouren im Flachland wie z.B. der Lüneburger Heide oder eben auch in den Bergen gibt, muss das Ganze auch nicht über die eigenen Kräfte gehen.
Wer sich nicht zutraut, allein unterwegs zu sein, fragt vielleicht einfach die beste Freundin oder wendet sich an einen Anbieter, der spezielle Wanderreisen für Frauen im Programm hat. Hier fehlt dann zwar die reine Einsamkeit und Stille, dafür findet man Gleichgesinnte und profitiert im Gespräch unterwegs vielleicht sogar von Erfahrungen anderer Frauen im Umgang mit den Wechseljahren.
Ab ins Kloster für eine Auszeit in der Menopause
Was vielleicht irgendwie scherzhaft klingt, ist hier ganz ernst gemeint und kostentechnisch auch häufig erschwinglicher als andere Formen des Rückzugs. Wer sich für einige Zeit ganz auf sich selbst besinnen und über sich und sein Leben nachdenken will, ist in einem Kloster gut aufgehoben. Oft gibt es hier verschiedenste Angebote, die je nach persönlichen Vorlieben genutzt werden können bzw. teilweise müssen.
Wer rund um die Uhr am „normalen“ Klosteralltag teilnimmt, für den heißt das: Am frühen Morgen zum Beten aufstehen, in Küche oder Garten mitarbeiten und früh zu Bett gehen. Häufig
sind Fernseher und Handy tabu. Für ein komplettes Abschalten eigentlich ausgezeichnet, aber keine Sorge, es gibt auch viele Klöster, in denen man „nur“ die ruhige, spirituelle Umgebung auf sich wirken lassen kann und einfach mal Zeit für sich selbst und seine Gedanken hat.
Der Wellness-Trend „Menopause Retreat“ und was Frau hier erwartet
Diese speziell konzipierten Wellness-Aufenthalte, die Frauen in den Wechseljahren eine Auszeit vom Alltag bieten, sollen helfen, diese schwierige Phase der Hormonumstellung bewusster und positiver zu gestalten. Dabei geht es sowohl darum, außerhalb des Alltags zur Ruhe zu kommen, als auch einen sicheren Raum für Frauen in den Wechseljahren zu bieten, in dem sie sich öffnen, austauschen und gegenseitig unterstützen können. In der Regel kann das Programm während eines Retreats ganz individuell – häufig nach einem persönlichen Austausch – gestaltet werden.
Klassischer Weise enthält der sogenannte Menopausen-Retreat Angebote wie spezielles Wechseljahres-Yoga das die innere Balance des Körpers stärkt, Expertenvorträge zu verschiedenen Wechseljahres relevanten Themen wie Schlaf, Gesundheit usw., Workshops rund um mentales und sexuelles Wohlbefinden (z.B. Meditationen) sowie Trainingseinheiten zur Stärkung des Beckenbodens oder auch Massagen.
Zusätzlich sind in der Regel Einzel-Coaching Angebote zur Selbstverwirklichung 50+ vorgesehen, wobei diese in Tempo und Tiefe nicht vorgegeben sind, sondern ganz individuell gestaltet werden können. Auch Ernährung spielt bei Wechseljahres-Retreats eine Rolle.
Dabei steht eine für die Wechseljahre optimal abgestimmte, gesunde und ausgewogene Ernährung im Mittelpunkt. Ziel dieser Retreat-Angebote für Frauen im Klimakterium ist es, wieder eine positive und neue Verbindung zum eigenen, sich verändernden Körper zu finden, um sich mit den weitreichenden Veränderungen in dieser Lebensphase auf körperlicher und emotionaler Ebene wohlzufühlen.
Gleichzeitig soll das vermittelte Wissen helfen, das eigene Selbstbewusstsein trotzt Menopause zu stärken und auch mögliche, vorhandene Ängste, die aufgrund der eigenen Veränderungen entstehen können, abzubauen. Leider sind entsprechende Angebote oft nicht ganz günstig.
Der große Wurf – Sabbatical in den Wechseljahren
Ein Sabbatical, also eine längere berufliche Auszeit, kann sicher – zumindest für Frauen, die Lust darauf haben – eine großartige Möglichkeit sein, die Wechseljahre besser zu bewältigen. Denn es bietet die Chance, sich mit wirklichem Abstand zum bisherigen Alltag, mit einem Gefühl der „Freiheit“ und ohne Zeitdruck auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren, Symptome zu lindern und neue Kraft zu schöpfen. Sicher mögen jetzt viele LeserInnen Gedanken haben wie: Mit meinem Arbeitgeber nicht machbar, das krieg ich finanziell nicht hin, mein Mann wird das nicht mitmachen.
Das sind ganz sicher nachvollziehbare Bedenken, die gut überlegt sein müssen, aber vielleicht bieten sich dennoch
realistische Lösungen, die den Wunsch doch umsetzbar machen:
… vielleicht lässt sich über eine neue Stelle nachdenken (die ggf. nach der Auszeit ohnehin auf der Wunschliste stehen wird),
… eventuell lässt sich das Sabbatical auch durch „Zwischendurch-Jobs“ im Ausland,
… oder aber auch durch mobiles Arbeiten finanzieren,
…vielleicht lassen sich aber auch bestehende finanzielle Verpflichtungen minimieren, um sich ein finanzielles Polster für die geplante Auszeit zu schaffen und
…vielleicht ist der Mann ja doch offen für ein Sabbatical, weil er bereits Veränderungen erkennt, die Zeit für sich allein ebenfalls nutzen möchte (vielleicht für ein Hobby, das er lange zurückgestellt hat) oder er der Meinung ist, dass es der Beziehung (die oftmals durch die Wechseljahre strapaziert wird) guttun würde…oder, oder, oder…
Die Dinge anzugehen ist der erste Schritt und wenn es gelungen ist, die äußeren Umstände zu klären und ein Sabbatical zu realisieren, kann Frau nur profitieren:
Ob auf Reisen von der Inspiration neuer Kulturen und der Energie neuer Landschaften & Eindrücke, von neuen Gewohnheiten wie Yoga, Wandern oder anderen sportlichen Aktivitäten für mehr Wohlbefinden, von der positiven Wirkung neu entdeckter Talente wie dem Malen, Schreiben, Musik machen oder anderen kreativen Leidenschaften, von der Ruhe durch die Entschleunigung der Tage ohne Zeitdruck und Stress oder auch von einer neuen Sinnhaftigkeit, wie sie z.B. durch ehrenamtliche oder karitative Freiwilligenarbeit entsteht.
Egal für welche Form des Rückzugs wir uns entscheiden: Die vielen neuen (Selbst-)Erfahrungen während einer bewussten Auszeit können nicht nur ganz neue Sichtweisen und Ideen eröffnen, sondern lassen uns als Persönlichkeiten wachsen und stärken gleichzeitig auch unser Selbstwertgefühl.