Kind oder Kleinwagen?

Haben Sie schon mal von Social Freezing gehört? Es gibt zwei Arten des Social Freezing, also des sozialen Einfrierens, wenn wir es denn wörtlich nehmen. Aber wie kann ich mein soziales Leben einfrieren?

Durch Social Freezing könnte die Oma auch die Mama sein...
Durch Social Freezing könnte die Oma auch die Mama sein…

Die Frage muss eigentlich so lauten: Wie kann ich in oder nach meinen Wechseljahren noch Kinder bekommen?

Derzeit gibt es da zwei Möglichkeiten. Ich kann mir aus meinen Eierstöcken Eizellen operativ entnehmen lassen. Die werden dann in Sekundenschnelle auf 196 Grad tiefgefroren (die sogenannte Vitrifikation) und aufbewahrt, bis ich meinen Kinderwunsch vernehme. Dann werden sie langsam wieder aufgetaut, künstlich befruchtet und mir eingesetzt. (Maximal drei befruchtete Eizellen pro Versuch). Davor muss ich mich selbstverständlich noch einer Hormontherapie unterziehen, da mindestens ein Vorrat von 20 Eizellen angelegt werden sollte. Je älter wir Frauen aber werden, desto weniger Eizellen reifen pro Zyklus heran, also sind circa zwei bis drei Zyklen nötig für eine entsprechende Spende. Pro Entnahme müssen Sie mit bis zu 4000 € rechnen. (Bei drei Zyklen kommen Sie also auf einen Kleinwagen.) Dieses Verfahren bezeichnet man als Egg Freezing.

Bei der zweiten Möglichkeit wird aus meinen Eierstöcken ein keilförmiges Stück mit circa 5000 Eizellen operativ entnommen. Dieses wird dann in fünf Teile geteilt und ebenfalls auf 196 Grad tiefgefroren. Wenn ich nun in die Wechseljahre komme und trotzdem einen Kinderwunsch habe, wird ein Teil aufgetaut und mir ins Bauchfell am Beckenkamm eingesetzt. Alles minimalinvasiv.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt bei diesem Verfahren keine künstliche Befruchtung. Da der Zyklus wieder einsetzen würde, könnte es zu einer ganz normalen Befruchtung kommen. Außerdem müsste ich keine Hormontherapie machen, die ja bekanntermaßen auf die Psyche gehen kann (Depressionen sind nicht selten), und beim Preis läge ich auch weit unter dem Egg Freezing: 1500 €. Ob und welche Risiken für die Föten bei beiden Verfahren bestehen, kann man heute noch nicht sagen, die „Erfolgsrate“ aber läge etwa zwischen 30 und 40 Prozent, egal für welchen Weg die Frau sich entscheidet.

Als ich von diesem „Social Freezing“ gehört habe, ist mir glatt der Unterkiefer runtergefallen. Gut, ich habe keine Kinder und hatte auch nie sooo den Wunsch danach. Als Teenager habe ich von mir als einer erfolgreichen Frau mit Mann, drei Kindern und einem schönen Haus im Grünen geträumt. Dann kam mein Leben und heute sieht alles etwas anders aus. Aber ich habe es mir ausgesucht und bin sehr glücklich so, wie ich jetzt lebe. Mit einem tollen Mann, einer schönen Wohnung und einem unheimlich erfüllenden Beruf.

Wenn ich jetzt aber in jungen Jahren Krebs bekommen und ich mich einer Chemo- oder Strahlentherapie hätte unterziehen müssen, dann wäre ich vielleicht der Forschung dankbar, dass ich mir trotzdem noch meinen Kinderwunsch erfüllen könnte. Da hätte die Forschung dann Sinn gehabt. Aber ansonsten sehe ich da ein großes Problem.

Ich denke, die Natur hat sich schon etwas dabei gedacht, dass wir Frauen ab einem gewissen Alter nicht mehr gebärfähig sind. Kinder sind keine Ware, die wir uns leisten können, wie und wann es uns passt. Oder eben auch nicht. „Ich weiß nicht, ob mein neuer Freund der Vater meiner Kinder sein soll.“ „Ich möchte erst sozial abgesichert sein, damit ich meinem Kind ein gutes Leben bieten kann.“ Meine Eltern und deren Eltern haben sich das nicht gefragt und ihren Kindern ein gutes Leben ermöglicht.

Social Freezing ist in meinen Augen einfach nur egoistisch. Es dreht sich alles nur um „mein“ Leben, aber nicht um  das Kind. Ich bin jetzt 51 und ich bin dankbar, dass ich zumindest meine Mutter noch habe. Mein Vater ist leider schon tot. Wie sähe das aber aus, wenn meine Mutter mich mit 55 bekommen hätte? Dann wäre ich neun Jahre beim Tot meines Vaters gewesen und heute, mit Zwanzig, müsste ich mir Gedanken über die Unterbringung meiner Mutter im Alter machen. Ein bisschen früh für einen jungen Menschen, oder?

Außerdem möchte ich die Wechseljahre, trotz aller Beschwerden, nicht missen. Ich komme immer mehr bei mir an, komme zur Ruhe. Ich möchte nicht endlos fruchtbar sein, was beim Entnehmen von Eierstockgewebe tatsächlich möglich wäre. Wir könnten die Wechseljahre abschaffen, da ein eingefrorener Teil meines Eierstocks bis zu neun Jahren Eizellen zur Verfügung stellen kann. D.h. im „besten“ Fall: 45 Jahre weiter gebärfähig, weiter verhüten – wie pervers! – und weiter PMS. Uns stellt sich ja Gott sei Dank nicht mehr die Frage, aber unseren Töchtern.

Lassen wir doch unseren Töchtern ihr soziales Leben, aber bitte ohne Freezing!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes neues Jahr und alles Liebe.

Ihre Antonia☺

P.S. Wie sehen Sie das alles? Ich würde mich über Ihre Gedanken sehr freuen!

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