Flirten mit Reißleine

Wechselweib Heike genießt das leichte Spiel zwischen den Geschlechtern heute mehr als mit Anfang 20. Warum, erklärt sie hier.

Er war groß und blond, mit grauen Augen und ausgeprägten Kieferknochen, und in seinem Blick war etwas, das gleichzeitig Weisheit versprach und Abenteuerlust. Kurz gesagt: genau mein Typ. Schon am Vormittag war er mir im Bus aufgefallen, abends, auf der Terrasse des Hotels, klopfte er einladend auf den Deck Chair neben sich: „Bring dein Glas mit, Wein ist schon da.“ Mein Herz schlug ein kleines bisschen schneller, und ich war ganz froh, dass auf seiner anderen Seite schon jemand saß: allem Anschein nach seine Frau.

Wie heißt es doch so schön in der Werbung? "Nur gucken, nicht anfassen!"
Wie heißt es doch so schön in der Werbung? „Nur gucken, nicht anfassen!“

Es ist nämlich so: Je älter ich werde, desto mehr genieße ich einen gelegentlichen Flirt. Worte, Gesten, Blicke, die so tun, als könnte es auch noch ein anderes Leben geben neben dem, das ich kenne und liebe. Einen anderen Mann, den Zauber eines ersten Kusses. Wohlgemerkt: Es geht nicht um reales Fremdgehen, es geht um das Als-Ob. Niemand kann besser miteinander flirten als zwei glücklich liierte Menschen: Beide wissen, dass man sich nur so weit aus dem Fenster beugt, dass keine Absturzgefahr droht – und beide genießen den leichten Taumel, der entsteht, wenn man diese Grenze auslotet.

Mit Anfang 20 war das nicht so. Im Gegenteil: Eine Begegnung mit einem Mann wie jenem grauäugigen Blonden hätte mich in einen Zustand zwischen Schockstarre und Panik versetzt. Denn damals, weiblich, ledig, jung, glich jeder Begegnung, die auch nur einen Hauch von Flirt mit sich brachte, einem Sprung ins Bodenlose. Ohne zu wissen, ob unten ein rettendes Tuch aufgespannt war. Wahrscheinlich hatte ich zu viele romantische Kino-Komödien mit Meg Ryan & Co gesehen. Aber jedes Mal, wenn mir ein vielversprechender  Mann vielversprechende Blicke zuwarf, setzte sich die gleiche überkandidelte Gedankenspirale in Gang: Ist ER der RICHTIGE? Wie werden wir unser gemeinsames Wohnzimmer einrichten? Und, Hilfe: Was trage ich eigentlich heute abend für Wäsche unter meiner Jeans? Kein Wunder, dass ich mich mit schöner Regelmäßigkeit selbst ins Aus schoss.

Ganz ehrlich: Ist es nicht ein herrlicher Zustand, wenn man den Richtigen schon längst gefunden hat – und sich trotzdem erlaubt, mal einen Blick nach rechts und links zu werfen? Zu spüren, dass Herz & Hormone noch genau so ein süßes Duett geigen können wie damals, aber ohne diese schicksalsschwere Basslinie zwischen Hoffnung und Enttäuschung? Was finden Sie: Ist unverbindliches Fremd-Flirten köstlich, oder gefährlich? Haben Sie das einfach nicht mehr nötig, oder kommen sie erst jetzt so recht auf den Geschmack? Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen!

Mit sommerlichen Grüßen,
Ihre Heike

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